Depressionen - Bock zum Labern und Austauschen?

  • Ich denke inzwischen, dass man nie sagen kann "Ich weiß wie das ist, ich hatte das auch". Zumindest meiner Erfahrung nach ist Depression bei jedem ein wenig anders.
    Für mich ist Ritzen eine Lösung. Just like this. Natürlich denke ich immer wieder an eine Therapie oder wie ich da rauskomme. Aber wenn ich ehrlich bin finde ich es nicht schlimm. Ist so. Auch tiefe Schnitte sind nicht schlimm. Klar, wenn eine wichtige Person das macht, dann ist es schon...ein wenig bedrückend.
    Schlimme finde ich eigentlich, wenn jemand aus den Depressionen wirklich wirklich raus will und man die Person dann straucheln sieht.
    Aber ich finde jeder muss selbst entscheiden, ob er eine Therapie will oder nicht, ob er Medikamente will oder nicht oder wie er damit umgeht. Ob er es nach ihnen ausdrückt oder offen darüber schreibt.
    Mir geht es gut meine Ruhe vor guten Tipps und Ratschlägen zu haben und ich frage mich öfters was wäre, wenn die Gesellschaft nicht gegen Ritzen wäre. Wenn es akzeptiert würde. Mir persönlich kommt es ein wenig wie mit Gendern vor. Es wird verdrängt, verschwiegen, angeprangert, wegtherapiert. Aber doch eigentlich nur von Leuten, die selbst nicht betroffen sind. Akzeptieren wäre mir lieber, ist aber nur meine persönliche Meinung.

  • Das Problem bei Ritzen ist halt, dass es gefährlich ist, man kann sich wirklich Schaden zufügen. Mein Exfreund kann seime rechte Hand nicht mehr wirklich benutzen, er hat mal 3 Sehnen davon durchgehackt. Außerdem verletzt es (meiner Erfahrung nach) Leute, die einen lieben. Leute, die einen unterstützen und für einen da waren. Weil es ihnen das Gefühl von Machtlosigkeit gibt. Man kann zwar so tun, als würde es nur einem selbst angehen, aber spätestens dann, wenn man es so oft macht, dass man die Narben nicht mehr verstecken kann ist es nicht mehr nur etwas privates sondern es kann Eltern und Freunde verletzen.

  • Aber ich bin mir sicher das hast du schon oft genug gehört und ich bin auch ganz sicher nicht berechtigt dazu, zu diesem Thema Moralpredigten zu halten

  • Ich denke mal, ich mache mir jetzt keine Freunde, wenn ich das sage, aber sich selbst verletzen sollte auf keinen Fall von der Gesellschaft akzeptiert werden. Denn Menschen die das machen, haben psychische Probleme, und das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Man braucht dann hilfe und, auch wenn ihr das schon 10 000 mal gehört habt, man muss dagegen ankämpfen, denn sonst frisst es einen irgendwann auf. Und es gibt meiner Meinung nach immer Gründe, wieso sich Menschen selbst verletzen.
    Gender sind keine psychischen Probleme, und es schadet niemandem. Deshalb sollte es akzeptiert werden und als normal angesehen werden.
    Klar, es nervt bestimmt, dauernd gesagt zu bekommen, dass man sich helfen lassen muss, und dass man aufhören soll, sich zu ritzen, aber die Menschen sagen das ja nicht ohne Grund oder weil sie euch auf die Nerven gehen wollen. Sie kümmern sich um euch und machen sich Sorgen.

  • Das mit der Selbstverletzung sehe ich ebenfalls sehr kritisch - aus mehreren Gründen, die eigentlich weniger allgemein moralischer Natur sind, sondern sich eher aus meiner Erfahrung mit Personen entwickelt haben, die sich selbst verletzen.


    Ich fang Mal damit an, dass Selbstverletzung, wenn sie wirklich krankhaft ausgeführt wird, eine Sucht ist, die genauso funktioniert, wie jede andere Sucht auch - man kann sie immer weniger (und irgendwann gar nicht mehr) kontrollieren und man braucht immer mehr, um sich an den 'Kick' nicht zu gewöhnen. Das ist kein rational vertretbares Verhalten, keine Handlung, die auch nur irgendeinen langfristigen Zweck hätte und vor Allem ist es das beste Mittel, um sich relativ schnell sehr anstrengend für sein engeres Umfeld zu machen, die ja Alle irgendwie die Verantwortung übernehmen müssen, für die Derjenige selbst eine echte Bedrohung ist. Mir ist klar, dass das jetzt für Betroffene ziemlich unfair klingt - immerhin will man ja gar nicht dass Andere einen daran hindern oder irgendeine Verantwortung dafür übernehmen, aber ich geb Mal ein paar Beispiele, die exakt mir so passiert sind, die vielleicht zeigen, wie schnell man andere Leute durch Selbstverletzung belastet.


    Erstes Beispiel wäre eine damals ziemlich gute Freundin - ich damals 17, sie mitte-20. Zu ihrer Verteidigung muss ich sagen, dass sie nicht an reiner Selbstverletzung, sondern an waschechtem Borderline litt, aber rückwirkend macht das für mich eigentlich wenig Unterschied. Anfangs bekam ich die Info, dass sie sich manchmal verletzt, wenn es ihr schlecht geht - mit der Zeit redete man über Probleme, weil ich nunmal ein Mensch bin, der sich auf die Probleme Anderer einlässt und dachte, ich könnte die Verletzung ja vielleicht verhindern, wenn sie darüber reden kann. Aus dem Zuhören wurde binnen eines Jahres ein Marathon für mich, ihr irgendwie ihren Alltag zu perfektionieren und ihr wie Peter Pan irgendein Nimmerland zu bauen, in dem im Grunde Alles schön nach ihrer Nase ging und sie es unglaublich leicht hatte, mich mit der unausgesprochenen These 'ich verletze mich, wenn es mir nicht gut geht' dafür verantwortlich zu machen, dass ich daran indirekt Schuld wäre. Das ging nach 4 Jahren dann so weit, dass ich nach ihrem Zeitplan morgens aufstand, um ihr die erste SMS zu schreiben, nach der Schule sofort für sie da zu sein, mich für Alles, was ich in meinem Alltag erledigen musste, bei ihr abzumelden und teilweise morgens um 3 erst ins Bett zu kommen, wenn ich um 6 wieder aufstehen musste. Recht machen konnte man ihr dabei immer weniger, weil die Selbstverletzung ja eine erwähnte Sucht ist und sich die ihre Gründe auch dann sucht, wenn es eigentlich keine gibt. Ein Ende nahm das Ganze in der Form, dass ich mit der guten Frau nie wieder auch nur ein Wort wechseln möchte, weil ich bei dem ganzen Theater selbst handfeste Verhaltensstörungen entwickelt habe und mir sicher bin, sie sitzt heute noch im selben Sumpf, der im Grunde für Niemanden in ihrer Nähe gesund wäre und mit dem sie auch noch 'glücklich' ist.


    Zweites Beispiel resultiert daraus, dass ich mir für meine eigenen Macken Unterstützung suchen musste und in einer WG mit ebenfalls verhaltensauffälligen Jugendlichen gelandet bin. Eine davon natürlich mit dem Hintergrund der Selbstverletzung, die bereits in einem Stadium angekommen war, nicht mehr von Schnitten auf den Armen sprechen zu können, sondern von Narben, die breiter als ein Finger und verheilt noch zwei geschätzte cm tief waren - auf Armen, Beinen, Händen, Hals - vermutlich überall. Wie oft ich in dem Jahr, das ich in dieser WG ausgehalten habe, mitten in der Nacht aus dem Bett geklopft wurde, um den Notarzt zu rufen, weiß ich effektiv wirklich nicht mehr, aber so unglaublich mies das klingen mag, ist die Belastung, ständig für einen Menschen verantwortlich zu sein und ihn vor sich selbst zu schützen, irgendwann groß genug, um sich heimlich zu fragen, wann er endlich tief genug schneidet, um entweder ganz - oder gar nicht mehr wach zu werden. Kein Gedanke, den ich auch nur irgendwie gut rechtfertigen könnte, aber ganz genau das denke ich mittlerweile, wenn ich in ein soziales Abhängigkeits-Verhältnis mit Menschen komme, die sich Verletzen.


    Das Ganze soll jetzt kein Vorwurf gewesen sein und sicher auch nicht irgendeine kluge Moral, auf die ich vermutlich selbst nicht hören würde, aber es ist mein Grund dafür, weshalb ich Selbstverletzung nicht für die private Sache einer Person halte, sondern für einen belastenden Vollzeit-Job für Alle, die eine betroffene Person mehr schätzen, als sie sich selbst.

    Schwachfug aus meinem Leben:


    Er: weißt du...
    Ich: weiß ich..?
    Er: weiß nich, weißt du?
    Ich: wir sind voll ahnungslos - aber hoffnungslos genial \o.o/

    Einmal editiert, zuletzt von JohnDoe ()

  • Ich hatte mal so nen Freund. Ich war 10 Monate mit ihm zusammen. Anfangs war alles gut, aber irgendwann hatte er immer mehr Angst, mich zu verlieren, hat geklammert wie Hölle, hat angefangen zu schreien und mich zu schlagen wenn er irgendetwas bemerkt hat, dass der Beziehung zwischen uns in die Quere kommen könnte. Das wurde irgendwann so verrückt, dass ich alle meine Freunde, die sich Sorgen gemacht hat angeschrien hab und nicht wollte, dass sie mich überhaupt ansprechen und mir sagen, dass er nicht gut für mich ist. Erst als ich mich wieder geritzt hatte, nachdem ich es über ein Jahr ohne geschafft hatte, habe ich einen Kumpel so weit an mich herangelassen, dass er mit erklären konnte, dass es nicht meine Schuld ist, dass es mir schlecht geht in der Beziehung und dass ich mich nicht schlecht fühlen soll, mit ihm Schluss zu machen. Naja, ich hab dann Schluss gemacht und er hat versucht, sich umzubringen. Ich finde immer noch seine Vorwürfe, seine Zweifel, seine Ängste in meinem Denken, nach über nem halben Jahr höre ich immer noch seine Stimme, die mir einredet ich sei ein Trottel, aber es wird besser. Ich hatte alles was ich bin und all meine Freunde für ihn aufgegeben, aber meine Freunde waren später alle wieder dür mich da.