Formeller Ablauf - Erfahrungsberichte Transition

  • Mir fiel auf, dass es hier in der Trans-Ecke zwar ein Paar Themen gibt, in denen danach gefragt wurde, wie eine Transition abläuft bzw. was nach dem Outing eigentlich auf den Betroffenen Alles zukommt und so ganz grobe allgemeine Antworten gab es darauf auch, aber ein Plätzchen für ganz handfeste, detailierte Abläufe habe ich bisher nicht entdeckt. Kurzerhand eröffne ich das hier jetzt also und lade Jeden dazu ein, seine eigenen Erfahrungen zusammen zu tragen, damit Andere eine grobe Ahnung davon bekommen, wie diese ganzen Richtlinien in der Praxis umgesetzt aussehen und wie sehr sich das in Einzelfällen auch unterscheiden kann.


    Um das Ganze nicht völlig ausarten zu lassen, lasse ich hier jetzt Mal komplett meine persönlichen Erfahrungen zu Alltag, Outing und co. weg - setze also dabei an, dass ich jetzt seit ziemlich genau 10 Jahren zu Therapeuten gehe (mit diversen Wechseln) und somit mit 15 Jahren in 'Behandlung' kam. 5 Jahre später kam ich endlich bei einer Psychologin an, die auf das Thema spezialisiert ist - und musste feststellen, dass ich es damit eher schwerer als leichter hätte, weil sie die Dinge genauer haben wollte und den Alltagstest in meinem Fall nicht als absolviert ansah. Dazu muss ich sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits überwiegend als Mann lebte, mich alle meine Freunde als Mann kannten (teils auch gar nicht wussten, dass es da einen Haken gibt) und auch aktuell in einer längeren Beziehung als Mann steckte. In meinen Augen war also klar, ein Alltagstest ist doch längst erfüllt - nicht so die Ansicht meiner Therapeutin, die mich noch 2 Jahre auf den Kampf schickte _überall_ als Mann zu leben und diverse Ämter/Firmen davon zu überzeugen, mich entgegen meinem damals noch aktuellen Personalausweis zu führen. An dieser Stelle empfehle ich Jedem, der das ähnlich handhaben möchte, einen Ergänzungsausweis, der als Zusatz für den eigentlichen Personalausweis dient - wird am Ende noch angefügt, wo der her ist.


    Nach 7 Jahren Therapie (2 Jahren bei der richtigen Psychologin) bekam ich grünes Licht, um zu einem Endokrinologen zu gehen - der Arzt, der sich unter Anderem um den Hormon-Haushalt kümmert - und ab da ging Alles unglaublich schnell. Ich hatte einen Gesprächsthermin, bei dem er sich persönlich vergewisserte, Alles weitere verantworten zu können und nachdem ich mir die erste Ladung Blut für meinen Hormonstatus abzapfen ließ, durfte ich dann auch schonwieder gehen, um mir einen Monat später Testosteron in Gel-Form abzuholen. Das war wohl die mit Abstand widerlichste Erfahrung, die ich machen dürfte, weil das Zeug, was man sich da auf die Arme schmieren muss, so einen unglaublichen Eigengeruch hat, dass ich nach einer Woche wieder vor der Tür stand und mir stattdessen die erste Spritze setzen ließ - dennoch bin ich der Meinung, das Gel ist eine gute Sache, um mögliche Allergien zu testen, weil man es sofort bei Bedarf absetzen kann. Nicht so bei der Spritze, die ich mir seitdem alle 10-12 Wochen abhole und die (immer zusammen mit der obligatorischen Blutabnahme) in den Muskel an einer Hüfte gesetzt wird - anfangs eine unangenehme Sache, aber man gewöhnt sich ja an Alles.


    Zeitgleich musste ich feststellen, dass die meisten Firmen tatsächlich bereit sind, persönliche Daten in so weit abzuändern, den neuen Vornamen mit passender Anrede zu verwenden - mit Ausnahme des Jobcenters, mit denen ich es leider zwischendurch zu tun bekam und die waren dann auch gleich so engstirnig, dass ich weitere Versuche sein ließ und stattdessen meinen Antrag zur Vornamens- und Personenstands-Änderung an das Amtsgericht Frankfurt schickte. Hier kann man im selben Schreiben auch direkt den Antrag zur Verfahrenskosten-Hilfe beifügen, sollte man die (in meinem Fall 5000 Euro) Gerichtskosten voraussichtlich nicht bezahlen können. Als Antwort wird man hier zunächst die Adressen zweier Gutachter bekommen - mit diesen wird man jeweils einen (oder mehrere) Termine vereinbaren, in denen man so ziemlich über Alles ausgefragt wird, um festzustellen, ob es sich wirklich um eine transidente Person handelt. Diese Gutachten werden in Form eines mehrseitigen Textes von den Gutachtern an den entscheidenden Richter geschicht - und mit dem bekam ich schlussendlich auch noch einen Termin, bei dem er mir auch sofort am Ende mitteilte, dass der Beschluss in den nächsten Wochen im Briefkasten sein sollte. Von Antragsstellung bis zur endgültigen Änderung der Geburts-Daten dauerte das Ganze 9 Monate. An dieser Stelle folgte ein Marathon, sämtliche Dokumente (von Perso, über Geburtsurkunde, bis Zeugnisse) ändern zu lassen, da der alte Name samt Anrede ungültig wird, sobald der Zeitraum des Widerrufsrechts ausläuft und der Beschluss in Kraft tritt.


    Da sich dieser ganze Zeitplan um die ominösen Richtlinien also in meinem Fall schon hoffnungslos verschoben hatte und ich automatisch über sämtliche Fristen rutschte, konnte ich nach der Änderung meiner Daten auch direkt meinen Antrag für operative Eingriffe an die Krankenkasse schicken - hier sei gesagt, Ärzte sind verflucht langsam darin, Briefe zu schreiben und man sollte sich darauf einstellen, ihnen wegen der nötigen Beurteilungen hinterher zu rennen, die man für diesen Antrag braucht. Die Wartezeit für alle Unterlagen kann man dann dafür nutzen, sich den passenden Operateur zu suchen, sollte man den nicht vorher schon gefunden haben. Nachdem der Antrag endlich abgeschickt ist, war die Krankenkasse in meinem Fall wirklich die mit Abstand schnellste Instanz, denn zwar kamen auch hier wieder zwei Gutachten auf mich zu, doch Alles in Einem musste ich auf den endgültigen Beschluss der Krankenkasse tatsächlich sehr viel kürzer warten, als auf die Arztbriefe. Danach folgt nur noch das Warten auf den OP-Termin/die OP-Termine.


    Ich hoffe, ich habe hier nun alles Formelle erwischt, was Betroffene interessieren könnte und lasse noch eine Material-Sammlung zu den Anträgen da.



    Anhang:


    - Ergänzungsausweis
    - Antrag für Personenstands- und Vornamens-Änderung - Amtsgericht
    - Antrag für geschlechtsangleichende Operationen - Krankenkasse

    Schwachfug aus meinem Leben:


    Er: weißt du...
    Ich: weiß ich..?
    Er: weiß nich, weißt du?
    Ich: wir sind voll ahnungslos - aber hoffnungslos genial \o.o/

  • JohnDoe

    Hat das Label Trans hinzugefügt