Teil 2.:
3.- Das Vorgehen der Nationalsozialisten gegen Homosexuelle (Männer)
3.1- Vorgehensweise bei der Verhaftung
Die Aufgreifung von Homosexuellen gestaltete sich oftmals als schwierig. Wurden sie, beispielsweise durch Nachbarn, denunziert, war ihr Schicksal meist schon besiegelt. Ansonsten wurden Razzien durchgeführt im Zuge derer, die wenigen, für ebendiesen Zweck zunächst offen gehaltenen Schwulen-Bars, kontrolliert und Verdächtige verhaftet wurden . Zusätzlich kontrollierten Polizeistreifen öffentliche Schwulentreffpunkte, wie zum Beispiel an Bahnhöfen oder Pissoirs. Männer, die sich an Letzteren verdächtig oft, oder lange aufhielten wurden verhaftet.
Somit wurde der „Lebensraum“ für Homosexuelle, der bis zur Machtergreifung noch bestanden hatte immer weiter eingeschränkt. Privat war es kaum möglich die eigene Sexualität auszuleben und an öffentlichen Stellen bestand eine große Gefahr aufgegriffen zu werden.
Es ist im Kölner Raum eine groß angelegte Sonderaktion zur Ergreifung Homosexueller bekannt. Nachdem im Sommer des Jahres 1938 Rechtsanwalt und NSDAP-Mitglied Fritz K. Bartels wegen seiner Homosexualität denunziert und verhaftet worden war, beschlossen die Kölner Behörden in Zusammenarbeit mit den in Düsseldorf erfolgreichen Stapobeamten Erich Weiler, Heinrich Stüllenberg und Ludwig Heinemann eine Sonderaktion einzuleiten um besagten Rechtsanwalt zu überführen, was letztlich gelang. Bartels wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und Heinemann und Bartels begründeten mit anderen Kollegen ein Sonderkommando, das vom 26. Juli bis zum 18. Oktober 1938 tätig war . In dieser Zeit kam es zu 300 Verfahren gegen Homosexuelle, jedoch wurde das Sonderkommando bald wieder eingestellt, nachdem sich Heinemann und Stüllenberg der „Misshandlungen und Folter von homosexuellen Verdächtigen sowie wegen Erzwingung von Geständnissen“ schuldig gemacht hatten
(Siehe hierzu auch: 3.2).
Abgesehen von solchen Sonderaktionen sind die Streifen der Polizei jedoch nicht zu überschätzen, da sie zuweilen nur aus ein bis zwei Polizeibeamten bestanden und kaum viele Verdächtige hätten festnehmen können. Des Weiteren ist zu sagen, dass ab Kriegsbeginn 1939 ein Personalmangel herrschte, der große Razzien kaum mehr zuließ .
3.2- Verhöre und Geständnisse
War ein Homosexueller verhaftet worden, so galt es ihm so viele Verbrechen nachzuweisen, wie es nur ging. Die Verhafteten wurden verhört und von der 1936 von Heinrich Himmler gegründeten Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung erfasst . Die Homosexuellen wurden zunächst zu der Art der sexuellen Handlung befragt, die sie begangen haben sollten und dann bezüglich ihrer Sexualpartner, die es ebenfall zu verhaften galt.
Aus den Verhörprotokollen geht hervor, dass die Verhörten von den Beamten in eine gewisse Richtung gelenkt und beeinflusst wurden. Es gibt Hinweise darauf, dass auf die Homosexuellen ein starker Druck ausgeübt wurde und nicht selten sogar physische und psychische Gewalt, zu erkennen ist dies an den Aussagen der Verhörten, die aufgrund der Formulierung, wie zum Beispiel „Nachdem mir Gelegenheit gegeben worden ist, mir noch einmal alles durch den Kopf gehen zu lassen[…]“ auf Misshandlungen schließen lassen. So sagten auch einige Gefangene aus sie seien „ ‚ernstlich’ oder ‚eindringlich’ zur Wahrheit ermahnt worden“, oder sie hätten sich ihre Aussagen noch einmal „reiflich“ überlegt.
Aus dem Fall des in 3.1 beschriebenen Sonderkommandos ist bekannt, das die Gefangenen einer systematischen Folter ausgesetzt waren. Diese begann mit Drohungen, Schlägen und Tritten und reichte über oft tagelanges Fesseln bis hin zum Einsperren in enge Zellen, die selbst zum Verrichten der Notdurft nicht verlassen werden durfte. Diese Folter geschah in Abwechslung mit den Verhören. Diese Misshandlungen hatten zur Folge, das die Homosexuellen nach einiger Zeit oft Taten zugaben, die sie nie begangen hatten, Sexualpartner verrieten oder von den Beamten bereits vorgefertigte Geständnisse unterschrieben.
Von den Methoden der Düsseldorfer Stapobeamten erfuhr die Staatsanwaltschaft aufgrund eines Hinweises und die beiden Männer wurden verhaftet und zu Zuchthausstrafenverurteilt.
Nach Beginn des Krieges änderten sich jedoch die Ziele der verhörenden Beamten. Es galt nicht mehr den Festgenommenen so viele Straftaten wie möglich nachzuweisen, sondern es musste nur noch, die dem Homosexuellen zu Last gelegte Tat gestanden werden, da jede noch so geringfügige homosexuelle Handlung, wie zum Beispiel Onanie im Beisein anderer Männer nach § 2 und 4 der Volksschädlingsverordung verboten war und mit einer „mehrmonatigen Gefängnis- oder Zuchthausstrafe geahndet wurde.
3.3- Das Gerichtsverfahren
Das Amts- und Landgericht Köln bestand aus fünf großen Strafkammern. Ab 1938 war die 3. große Strafkammer unter dem Vorsitz Paul Trümpers und später Dr. Otto Kewenig für Vergehen nach § 175 zuständig . Im Gerichtsverfahren sollte nun entsprechend der Beweislage der Homosexuelle verurteil werden. Entsprechend der „Art“ des Homosexuellen, den es zu verurteilen galt, viel dann die Strafe aus. Die Nationalsozialisten teilten schwule Männer in verschiedene Kategorien ein. Beispielsweise gab es den Jugendverführer, also ein volljähriger (über einundzwanzig Jahre alter) Mann, der sich der Unzucht mit einem (unter einundzwanzig Jahre alten) Jugendlichen schuldig gemacht hatte. Hinzu kamen Strichjungen (mit den Jugendverführen die „schlimmste“ Art von Homosexuellen, sie machten sich der „schweren Unzucht“ schuldig), so genannte „unverbesserliche“ Homosexuelle (Männer, die zum wiederholten Male homosexuell auffällig geworden waren) und die „einfachen“ Homosexuellen, also solche, die zum ersten Mal verurteil wurden . Letztere wurden von Allen am leichtesten bestraft. Das Strafmaß erstreckte sich von wenigen Monaten Zuchthaus für „belästigendes Verhalten“ (jemanden „zur Unzucht auffordern oder sich selbst dazu anbieten“, § 361 Ziff. 6 RStGB ) über bis zu 10 Jahre Zuchthaus oder mindestens drei Monaten Gefängnis bei schwerer Unzucht
Besondere Härte, auch bei einmaligem Vergehen nach § 175 traf Angehörige der Wehrmacht, SS und der Polizei. Diese wurden auch mit dem Tod bestraft, den Grund dafür erklärt Adolf Hitler selbst: „Insbesondere die Partei und ihre Gliederungen müssen gegen jeden Fall von Homosexualität, der sich in ihren Reihen zeit, mit rücksichtsloser Strenge vorgehen; wenn das geschieht, dann bleibt der Staatsapparat sauber und er muss sauber bleiben“ . Der Führer selbst unterschreibt die Anordnung: „Ein Angehöriger von SS und Polizei, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zu Unzucht missbrauchen lässt, wird mit dem Tode bestraft.“ .
In besonders schweren Fällen, was Homosexuelle außerhalb der SS oder der Polizei anging, wurden die Männer nicht ins Zuchthaus oder ins Gefängnis sondern direkt ins Konzentrationslager gebracht.
Für unverbesserliche Homosexuelle bestand außerdem die Gefahr aus Gründen der „präventiven Verbrechensbekämpfung“ in so genannte Vorbeugehaft genommen zu werden. Ging man davon aus, dass es sich bei einem Verbrecher um einen notorischen handelte, so genannte „Berufsverbrecher“, konnte die Kriminalpolizei Verhaftungen durchführen ohne „auf Anweisung der Zentralbehörde zu warten“ .
3.4- Strafvollzug und die Bedingungen der Haft
Homosexuelle wurden nicht nur aus der „Volksgemeinschaft“, sondern vermutlich auch von ihren heterosexuellen Mitgefangenen ausgeschlossen, da sie auf der „Rangliste“ im Gefängnis weit unten standen. Misshandlungen physischer und psychischer Art standen somit auf der Tagesordnung.
Die Gefängnisse hatten sich zum Ziel gemacht die Volksgemeinschaft zu schützen und die Gefangenen Reue zu lehren zudem galt der Grundsatz „Erziehung durch Arbeit“ .
Gerade Homosexuelle sollten nach Meinung des Reichsjustizministeriums in so genannte Arbeitslager, beispielsweise die Moorlager im Emsland, überwiesen werden um sie durch die extrem harte Arbeit zum besseren zu „erziehen“
Wie zudem beispielsweise aus dem KZ Buchenwald bekannt ist, wurden an den Verurteilten oft unmenschliche Experimente durchgeführt. Ein in diesem Zusammenhang bekannter Name, war der des dänischen SS-Arztes Dr. Carl Vaernet, der Hormonversuche an Schwulen durchführte, um sie von ihrer „Krankheit“ Homosexualität zu befreien . Eine andere Methode, Schwule von ihrer Neigung zu befreien war die Zwangskastration, von den Nationalsozialisten als „freiwillige Entmannung“ bezeichnet, da die Männer gezwungen wurden einen Antrag auf Kastration zu unterschreiben .