Ich schreibe viel und gerne und da ich aktuell Mal wieder tausend Sachen anfange, während ich hier mehr oder weniger gleichzeitig rumdümpel, dachte ich, ich lass doch einfach mitlesen, wer immer möchte
Was ich hier poste, stammt ausnahmslos aus meiner eigenen Feder und verletzt somit auch in keiner Form das geistige Eigentum Anderer. Ebenso weise ich darauf hin, dass ich das nicht als Kummerkasten verwende - sollte davon also Etwas weniger fröhlich erscheinen, ist das als Stilmittel so gewollt und keine aktuelle Stimmung meinerseits.
"Eigentlich..."
Mein Kopf ist eine Einraumwohnung
Manchmal ändere ich meine Meinung schon, bevor ich mir überhaupt sicher bin, eine Meinung zu haben - das tue ich nicht, weil ich von Dingen keine Ahnung habe oder sie mein Denken nur flüchtig tangieren, sondern weil ich mir manchmal nicht sicher bin, welche meiner beiden Facetten darauf nun antworten soll. Die eine Facette lebt ganz physisch im Hier und Jetzt und beansprucht ganz klar den Teil, den ich einfach als Pessimisten benennen muss, weil mir kein anderes Wort dafür einfällt, das sowohl ich, als auch ein Leser auf die selbe Weise verstehen könnte - die zweite Facette dagegen lebt zerstreut irgendwo zwischen meinen Gedankengängen, um hin und wieder verstohlen hervor zu lugen und immer dann ein Wort zu verlieren, wenn der Pessimist für mich und meine Außenwelt zensiert werden muss. Zensiert werden muss er oft. Ich erwische mich im Grunde andauernd dabei, meine Umwelt und ganz besonders meine Mitmenschen als lästig zu empfinden und das auch einigermaßen deutlich zum Ausdruck bringen zu wollen - zu wollen, es aber nur mit halber Wucht zu gestatten.
Man könnte es eine Art Symbiose nennen, in der mein Pessimist mit meinem Optimisten in einer Art Wohngemeinschaft lebt und sich ausgerechnet meinen Kopf dafür ausgesucht hat, der mir ohnehin schon viel zu klein erscheint, wenn ich darüber nachdenke, wie viele Zimmer es eigentlich bräuchte, um für das ganze Werk der Beiden zu genügen. Würde ich es in Bildern ausdrücken, dann ist mein Pessimist ein Fotorgraf mit Hang zu den wirklich hässlichen Motiven, der die Momentaufnahmen meiner Umwelt als Schwarz-Weiß an die Wände seines Zimmers tapeziert, während sein Mitbewohner schon damit beginnt, das Elend mit den buntesten Farben zu beschmieren, damit ich es nicht mehr sehen muss.
Dabei ertrage ich es ausgesprochen gut, die Dinge in all ihrer Hässlichkeit zu sehen - manchmal erscheint mir mein Pessimist sogar als ganz persönlicher bester Freund, der mir niemals falsche Hoffnungen macht und mich höchstens belügt, um mich danach mit besseren Resultaten zu überraschen. Viel gemeiner sind da eigentlich diese farbenfrohen Bilder, die mir suggerieren, wie schön die Dinge nur wären, wenn ich sie denn so sehen könnte - wenn sie so schön wären, wie sie in meinem Kopf aussehen und wie sie der Optimist malt, der scheinbar noch nie wirklich nach draußen kam und mich immer dann allein lässt, wenn ich schon wieder darauf hereinfalle, ihm eine Chance zu geben und ganz genau daran ein weiteres Mal scheitere.
Vielleicht ist mein Kopf auch gar keine Wohngemeinschaft - vielleicht ist mein Kopf eine ganze Welt, die mir mit ihren vielen dunklen Ecken und Winkeln eine Zuflucht bietet, aus der heraus ich in sicherer Entfernung auf all die Luftschlösser sehen kann, die in meinem Kopf nur mir allein gehören, die ich Niemandem anvertrauen muss und die mir auch dann Niemand wegnehmen kann, wenn die Farbe verblasst und ich mich vorübergehend wieder damit zufrieden gebe, der Realität ins Auge zu sehen, die mir aus grauen Fotografien entgegen starrt.
Eigentlich ist mein Kopf eine Einraumwohnung.
Ein bisschen die Welt verbessern
Mir ist das Leben zu schnell und zu laut. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin ein Fremdkörper in meiner Umwelt, für den die Zeit langsamer läuft und der immer einen Schritt hinterher hinkt - der so völlig neben den Dingen steht, als wäre ich ein Besucher irgendeiner anderen Realität, auf die ich nicht den geringsten Einfluss habe. Erwartungen sind mir lästig und oft enttäusche ich sie absichtlich, nur um mich auf das Laufrad nicht einzulassen, in dem ich so viele Menschen rennen sehe, dass ich mich frage, ob mit mir etwas nicht stimmt oder mit ihnen - dabei habe ich kein Mitgefühl, denn obwohl ich mir gut vorstellen kann, dass es Jedem davon genauso gehen könnte, wie mir, sehe ich nur die Bedrohung, in den Sog mit hinein gezogen zu werden, wenn mir einer davon zu nah kommt.
Eine Bedrohung sehe ich in vielen Situationen - dabei bin ich eigentlich erschreckend konsequent darin, mich nicht vereinnahmen zu lassen und darauf oft frühzeitig vorbereitet. Dennoch ist es so anstrengend, dem Gefühl aus dem Weg zu gehen, von Irgendetwas aufgefressen zu werden, dass ich oft darüber nachdenke, wie einfach das Leben sein könnte, wenn ich die Welt für mich allein hätte. Ein Gedankengang, von dem ich glaube, dass ihn viele Menschen erschreckend finden, aber für mich wäre es willkommene Stille, in der ich genug Raum für mich hätte, um Niemandem aus dem Weg gehen zu müssen.
Ich habe eine leise Ahnung, wie es wohl allein auf der Welt wäre - zwar ist es nicht realistisch vergleichbar, aber wenn ich Entspannung suche, dann finde ich sie nachts. Spätestens gegen zwei Uhr früh ist hier Niemand mehr in der kleinen, etwas verschlungenen Altstadt unterwegs und die Straßen sind nur wenig beleuchtet. Meine Geräusche sind dann die Einzigen, die nicht von Wind und Wetter stammen und wo man vielleicht unterstellen könnte, das hätte Etwas melancholisches an sich, empfinde ich es als völlige Erleichterung, in diesen Momenten den Eindruck zu haben, die Zeit anzuhalten und über absolut Nichts nachdenken zu müssen.
Manchmal frage ich mich, wie das Leben wäre, wenn es nicht daraus bestünde, zu funktionieren - wenn man nicht ständig dafür sorgen müsste, zu genügen und der eigene Wille mehr zählen würde, als der Anderer. Wenn es kein System gäbe, von dem man völlig ungefragt Teil ist, als wäre man das Eigentum Vieler und dürfe aus reiner Großzügigkeit eigene Entscheidungen treffen. Manchmal wäre ich gern unsichtbar und würde die Welt aus meinem Kopf nach außen projizieren - vielleicht wäre das eine bessere Welt und vielleicht wäre man dort auch ein besserer Mensch.
Eigentlich würde ich gern ein bisschen die Welt verbessern.
Einen Tag lang Peter Pan
Es gibt Momente, da nimmt sich mein Pessimist eine Auszeit - dann verkriecht er sich irgendwo und resigniert, weil ich zwar oft so bereit dazu bin, durch seine Augen zu sehen, aber im Grunde doch weiß, dass es glücklicher macht, nicht zu hadern und ihn heimlich davon zu überzeugen, dass wir vielleicht nur aufmerksamer sein müssen. Aufmerksamer für das, was der Optimist uns Beiden zeigen will und auf das ich mich dann doch nur allein einlassen kann. Das sind Momente, in denen ich Nichts riskieren muss, weil mein Körper da bleibt, wo er ist und mein Verstand auf Reisen geht. Mit rationalem Denken hat das Nichts zu tun. Alle 'wenn' und 'aber' sind ungedachte Möglichkeiten, die einfach keinen Wert besitzen und heimlich könnte man es eine Sehnsucht nennen.
Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Sehnsucht ist, aber es fühlt sich so an, obwohl es Heimweh nicht ähnlich sein will und ich viele Dinge nur halb so gut kenne, die mich so intensiv anziehen. Manchmal wird das Gefühl so elementar, als müsste ich auf der Stelle meine Koffer packen und raus aus Allem - raus aus Allem und hin zu...
Eigentlich weiß ich nicht, ob es gibt, wonach ich suche. Mein Nimmerland hat viele Gesichter und doch bleibt es immer das Selbe. Manchmal denke ich, es muss in einer anderen Zeit liegen, in der Selbstbestimmung noch einen anderen Wert hatte und man Dinge für sich selbst tat - als man aktiver Sorge dafür trug, was man hatte und am Ende des Tages sehen konnte, wofür man aufgestanden ist. Als man noch nicht auf die irrwitzige Idee kam, heute zu berechnen, wo man in zehn Jahren steht und ich nur das hätte wissen müssen, was meine ganz eigenen Probleme löst.
Es ist ein völlig absurder Kern, der mein Denken in diesen Belangen bestimmt, aber wenn ich beschließe, Alles zu vergessen, das in meinem Leben keinen Platz haben soll und die Mauern einreiße, die mein Sichtfeld so monumental begrenzen, um mit dem Aufbau etwas Neuem zu beginnen, dann denke ich an Schnee und die Welt verschwindet unter völligem Weiß. Dann beginnen die Uhren, langsamer zu ticken, als könnten sie einfach nicht anders und wenn die Ruhe eingekehrt ist, die mir so oft fehlt, dann kommt die Kälte, die immer nur genau so kalt bleibt, wie ich es ihr gestatte - ein Konzept, das mir absolut entspricht, denn wenn mir zu kalt ist, dann tue ich Etwas dagegen und dieser Pragmatismus liegt in meiner Natur. Zu warm wird mir dagegen viel zu schnell und dann habe ich das Gefühl, dass ich dagegen Alles tun darf, außer Etwas tun - das hat in meiner Welt keinen Platz, in der ich einer vollkommenen Freiheit so nah kommen will, wie ich sie mir eben ausdenken kann.
Auch in mein Nimmerland folgt mir mein Pessimist und das tut er nicht ausschließlich, um mich daran zu erinnern, dass er mich nicht vergessen hat, sondern auch weil ich ihn vermissen würde. Ich kann mir mich selbst ohne diese Seite nicht vorstellen und würde sie fehlen, dann wären das hier auch nicht meine Gedanken - die Zimmer meiner Luftschlösser wären nicht bewohnt und die Rückkehr zur Realität ein hartes Erwachen. Mein Pessimist lässt mich niemals allein - er ist da, wenn mich mein Optimist noch ein wenig mehr zum Träumen überreden will und schon ein oder zwei Gedankengänge voraus huscht, als könnte mir dabei ja gar Nichts passieren. Als wäre Enttäuschung ein Wort, das er noch nie gehört und auch nie empfunden hat und als wäre ihm nicht klar, dass jedes seiner bunten Bilder ein kleines Versprechen an mich bedeutet, das er nicht einhalten können wird. Die Enttäuschung gehört dann mir allein, wenn ich wieder damit beginne, bunte Farbe und graue Fotografien zu vergleichen und ich die Stimme meines Pessimisten leise, sogar ein wenig mitleidig flüstern höre - 'ich hab's dir doch gesagt'.
Eigentlich wäre ich gern einen Tag lang Peter Pan.
Gut darin, schlecht zu sein
Im Grunde habe ich nur halb so viel Geduld, als man mir zutraut - das gleiche ich dafür aber mit einer Disziplin aus, die hin und wieder nur knapp an Masochismus vorbei driften muss, wenn man bedenkt, dass ich auch dann noch still bleibe, wenn der Pessimist in meinem Kopf schon Amok läuft und ich als Einziger genau weiß, wie erbarmungslos er mich immer lauter anschreit, je beharrlicher ich schweige. Ich bin nicht gut im Reden und dabei liegt es gar nicht daran, dass mir die Worte dafür fehlen würden. Ich glaube, ich wäre sogar einigermaßen überzeugend - ich wüsste genau, was ich wie sagen müsste und wenn ich ihn denn ließe, würde mein Pessimist mir all die Worte vorsagen, von denen mein Optimist denkt, dass man sie nicht aussprechen darf. Manchmal führe ich mehrzeilige Monologe in meinem Kopf, nur um Irgendwen damit glauben zu machen, das wäre Alles schon irgendwie fast ausgesprochen gewesen - ohne Einsatz von Stimme und Mimik, aber... irgendwie schon fast ausgesprochen.
Das betrifft nie Situationen, in denen es wirklich drauf ankommt - nein, es sind diese Gespräche, in welchen ich meine Bedürfnisse beitragen und mich von der Empathie meines Gegenübers abtasten lassen könnte, um auf dieser kuriosen Ebene eines Miteinanders zu landen, auf der ich mich nie wirklich auskenne. Dort würde es kompliziert und ein wenig fühlt es sich jedes Mal aufs Neue nach einem Drahtseil-Akt auf schmalen Graden an, in dem meine Balance ganz genau so lange anhält, bis mir klar wird, dass man sich an mir festhält und ich der Anker in unbekannter Höhe bin, auf den ich mich im Grunde selbst nicht verlassen würde. Ab hier bin ich nur in Einem wirklich gut und das ist immer der Weg des geringsten Widerstands, der konsequent irgendwo abwärts im freien Fall endet, weil der Boden ja nur weit genug entfernt sein muss, um die Flugzeuge im Bauch lange genug zu spüren. Zwischenmenschlich muss ich Etwas wie eine Kreissäge versteckt in einem wirklich bequemen Sofakissen sein und die kennt leider nur zwei Zustände.
Mit einem bewussten Willen hat das nie zu tun - nein, im Grunde nehme ich mir immer vor, die richtigen Entscheidungen zu treffen und durchdenke die Dinge dafür länger, als es vielleicht den Eindruck macht. Immer bin ich mir dann sicher, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden und auf der richtigen Seite zu stehen - dabei sogar loyal genug zu sein, um auch dann noch Fronten zu verteidigen, wenn ich als Einziger daran festhalte und ja, auf meine eigene Art bin ich dabei besitzergreifend - unterschwellig zwischen den Zeilen, wenn mein Pessimist mit mir durch geht und ich das Chaos anrichte, von dem ich mir sicher bin, dass es mehr ausdrückt, als jedes meiner unausgesprochenen Worte. Das sind die Momente, in denen es drauf ankommt - in denen Alles auf dem Spiel steht und man nur gewinnen oder verlieren kann, weil sich in den Extremen zeigt, ob man in die selbe Richtung steuert und dafür keine Abkürzung braucht.
Letztendlich weiß ich immer rückwirkend, dass die schlechten Entscheidungen nach den besten aussehen und man nur lange genug in eine Richtung laufen muss, um sich im Kreis zu drehen und den Dingen dabei zu zu sehen, wie sie sich auf absolut falsche Weise wiederholen, bis immer weniger von ihnen übrig bleibt. Eigentlich müsste die Bahn nach meinen Fahrplänen fahren, denn ich bin so konsequent darin, Holzwege zu Ende zu gehen, dass ich mich niemals verspäte - nein, ich bin immer pünktlich zur falschen Zeit am falschen Ort, weil ich eigentlich drei Schritte voraus sein müsste, um zu sehen, wo das nur wieder Alles endet und ein einziges Mal rechtzeitig die Kurve zu bekommen. Dann wird mir klar, dass ich nur halb so passiv bin - nur halb so unbeteiligt, wie ich oft denke und dann hoffe ich einfach, dass ich der Einzige bin, der das begreift, weil mein schlechtes Gewissen auch für zwei genügt und ich insgeheim weiß, es tut mir Leid.
Eigentlich bin ich viel zu gut darin, schlecht zu sein.
...to be continued...