verliebe in dich ^^

  • Ich verliebe mich nicht. Das heißt, nicht so schnell wie andere. Warum das so ist? Wahrscheinlich weil meine Ansprüche zu hoch geschraubt sind oder weil die halbwegs anständigen Jungs auf dieser Welt ausgestorben sind. So dachte ich jedenfalls, bis ich jemanden kennen lernte, der mich auf seine eigene Art und Weise so faszinierte, wie ich noch nie zuvor von einem Menschen fasziniert worden war. Es war ein Tag, der schlecht anfing und von dem man annahm, dass er auch schlecht enden würde. Es war keine gewöhnliche schlechte Laune, sondern etwas viel stärkeres als das. Ich hatte das Gefühl als hätte das Leben einfach keinen Sinn mehr, wenn es überhaupt jemals einen Sinn gehabt hat. Mit diesen Gedanken setzte ich mich auf eine Bank um auf die Straßenbahn zu warten. Ich fühlte mich so deprimiert, dass ich die Menschen in meiner Nähe überhaupt nicht mehr wahrnahm. So saß ich da, vielleicht für eine Minute, vielleicht für eine Stunde, bis ich mich aufraffte mich wenigstens umzusehen. Weit und breit keine Menschenseele. Ich vertiefte mich wieder in meine Gedanken, als ich fühlte, wie sich jemand neben mich setzte. Ich hatte Angst aufzublicken, da es sich bei dieser Person um einen Psychopathen oder Amokläufer handeln könnte, der nur auf der Suche nach sein nächstes Opfer war. Als ich doch noch den Mut aufbrachte, sah ich einen Boy mittleren Alters mit zersausten braunen Haaren. Mehr konnte ich nicht sehen, denn er war vertieft in sein Buch. Der Titel lautete zu meiner Erleichterung nicht „Wie bringt man seine Mitmenschen um“, sondern es hieß „Alexis Sorbas“. Ich beachtete ihn nicht weiter und versuchte wieder, mir die Frage zu beantworten, warum ich auf der Welt war. Ich wünschte fast, ich hätte nie existiert. Ob ich nun laut gedacht habe oder meine Stimme sich selbstständig gemacht hat, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls machte mein Herz einen Sprung, als der Boy neben mir anfing zu reden. „Dass Sie sich diese Frage stellen, bedeutet doch nur, dass Sie in ihrem Herzen immer noch mit aller Kraft, die Sie haben, danach suchen. Nach dem Grund, warum Sie auf der Welt sind. Niemand von uns kommt mit einem fertigen „Grund“ auf die Welt. Wir alle müssen selbst danach suchen und unseren eigenen Grund zum Leben finden. Eigentlich hört sich das ja ganz logisch an, oder? Sobald wir keine Antwort auf eine Frage wissen, suchen wir danach und erst recht, wenn uns diese interessiert.“ Er sah mich an und ich bemerkte, wie seine grauen Augen mich anlächelten. Seine Art zu reden faszinierte mich. Er war überzeugt von dem was er sagte und das war bei vielen ungewöhnlich. Die Meisten sagten nur das, was sie von anderen eingeredet bekamen und ich hatte das langsam satt. Bei ihm hingegen hatte ich das Gefühl, dass ich zum ersten mal die wahren Gedanken eines Menschen kennenlernte. Er fuhr fort. „Es liegt also an uns, den Sinn des Lebens zu definieren. Wenn Sie nicht aufgeben, können Sie ihn auch finden, ob nun in einem Traum oder in ihre Arbeit oder in einem anderen Menschen.“ Er blickte wieder nach vorne und sein Blick schweifte in die Ferne. „Weil wir selbst danach suchen müssen zweifeln wir an ihm und geben viel zu schnell auf, aber wir brauchen ihn auch, diesen Grund, solange wir leben. Auch ich suche noch danach und wenn es nur irgend geht, dann wünsche ich mir, dass ich ihn in einem anderen Menschen finde.“ Er lächelte still vor sich hin. Ich wollte in diesem Moment irgendetwas sagen, das nur so annähernd tiefgründig und erwachsen war, was er gesagt hatte. Doch ich brachte nichts zustande außer „Warum in einem anderen Menschen?“ „Damit ich einmal jemanden habe, der mir sagt, es ist okay, so zu denken." Ich hörte die Straßenbahn und stand auf. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Seine Worte waren genau die, die ich hören wollte. Ich drehte mich um und sah, wie er sich wieder über sein Buch beugte. „Danke.“ Sein überraschter Gesichtsausdruck war das Letzte, was ich von ihm sah bevor ich einstieg. In den Tagen danach fühlte ich mich merkwürdig erleichtert und zufrieden. Ich wusste nicht wer er war, warum er das sagte, was ich hören wollte und warum er mich so faszinierte. Ich suchte ihn. Fast jeden Abend ging ich zu der Straßenbahn-Haltestelle, doch er war nicht mehr da. Ich wusste noch nicht einmal, ob er nicht nur ein Traum war, bis er eines Tages wieder auftauchte. Er saß auf denselben Platz, an dem er an jenem Tag gesessen ist. Da wusste ich auf einmal nicht mehr, was ich sagen wollte, doch als ich mich neben ihn setzte und er mich mit einem Lächeln ansah, wusste ich, dass keine Worte nötig sind. Wir saßen einfach da und beobachteten, wie die bunten Blätter von den Bäumen fielen und zu Boden segelten. Mein Leben hatte einen Sinn. Ich habe ihn gefunden, als ich ihn traf.