Stolz auf die Sexualität?

  • Hallo Leute,


    ich wollte hier mal eine Diskussion anfangen, da ich mich immer wundere, warum viele Schwule, Lesben und Bisexuelle sagen, dass sie stolz auf ihre Sexualität sind.
    Ich denke, stolz kann man nur auf etwas sein, was man selbst erreicht hat, durch Arbeit, Fleiß und so; aber man kann nicht stolz auf etwas sein, dass man von Geburt an hat und wofür man eigentlich gar nichts kann. Dasselbe gilt auch für die Aussage: "Ich bin stolz, Deutscher zu sein", das ist meiner Meinung nach genauso unlogisch.


    Zwei Beispiele:


    1. "Ich bin stolz, im Zeugnis einen Schnitt von 1,8 geschafft zu haben."
    2. "Ich bin stolz, blaue Augen zu haben."


    Seht ihr, was ich meine?


    Also, bin gespannt auf eure Meinungen.

  • Wenn ich sage, dass ich stolz auf mein Heimatland bin oder dass ich hier geboren wurde, dann heißt das, dass ich mich mit Deutschland verbunden und mich hier zuhause fühle.
    Wenn ich sage, ich bin schwul und stolz drauf, dann sage ich, dass ich froh und dankbar bin, weil ich so bin, wie ich bin. Ich freue mich, dass ich ich bin. Jeder kann auf seinen Charakter stolz sein, weil jeder andere Begabungen und Fähigkeiten hat, und jeder hat einzigartige Charakterzüge, auf die er stolz sein kann.

  • ich finde eigentlich auch, dass man stolz auf seine sexualität sein kann. man kann doch auf alles stolz sein.
    eigentlich bedeutet stolz ja auch nur, dass man zufrieden mit sich selbst (oder eben etwas genauer definiertem..) ist. ob man das jetzt durch eigene leistung erbracht hat oder von anfang an so war, ist im endeffekt egal..
    ich sage auch gerne dass ich lesbisch bin und stolz drauf! :)

  • Ich bin nicht sonderlich stolz auf meine Sexualität, da ich ja auch aktiv nichts dazu beigetragen habe. Wenn ich zB als Aktivistin für die Rechte von Homosexuellen kämpfen würde, hätte ich wohl eher ein Recht darauf stolz zu sein.


    Ich persönlich vertrete die Meinung ,um richtig echten Stolz zu empfinden sollte man auch was dafür getan haben. Das mit dem nationalitäten stolz kann ich auch nicht ganz nachvollziehen, denn man wird ja schließlich in seine Nation hineingebohren und hat nichts dafür geleistet, mal ganz davon abgesehen dass alle Nationen im Prinzip gleichwertig sind und dann nicht eine stolzer sein sollte als die andere (und dann noch davon abgesehen, wäre ich schon mal bei unserer Vergangenheit, definitiv nicht stolz deutscher Abstammung zu sein).


    @Sonne
    Wirklich schönes Thema zum diskutieren erstellt :)

  • Ich gehe mit der momentan in dieser Diskussion vorherrschenden Meinung, nicht die Berechtigung zu haben, auf etwas stolz zu sein zu dürfen, dessen Größe man nicht aktiv gemehrt hat, konform.


    Aber, wenn wir auf ein Abstraktum - siehe eine Nation, oder eine sexuelle Orientierung - dem wir ohne eigene Leistung zugehören nicht stolz sein dürfen, so verbietet es sich in gleichem Maße, Schande für diese Sache zu empfinden.
    Danachgehend sind weder der stolzmachende Ruhm, noch die Schande willkürlich auf ein ganzes Kollektiv übertragbar. Sprich: Macht es mich stolz, zufälligerweise dieselbe Nationalität wie ein talentierter Zahnarzt zu haben? Ist sein Ansehen einfach so auf mich übertragbar? Oder muß ich mich dafür schämen, wenn sich deutsche Touristen danebenbenehmen?
    Macht es mich stolz, daß der Bürgerrechtler Martin Luther King eine westgermanische Sprache sprach, so wie ich?


    Was aber kann ich dann empfinden für den Zahnarzt, M. L. King oder die Touristen?
    Nicht Stolz oder Schande, aber persönliche Bewunderung oder Abscheu.

  • 1. "Ich bin stolz, im Zeugnis einen Schnitt von 1,8 geschafft zu haben."
    2. "Ich bin stolz, blaue Augen zu haben."


    Seht ihr, was ich meine?


    eigentlich nicht. denn es ich empfinde gar nichts dabei ob ich einen 1,8er oder 2,3er notenschnitt habe, da ich nicht viel von noten halte. bewertungen nehmen nur loser vor, find ich ... und wir kennen den allgemeinen zustand unserer ... westlichen ... kultur. »:-> dennoch find ich dieses proud-of-zelebrieren eher peinlich, als dass man es ernst nehmen könnte ... egal um was es sich dabei handelt, auf das man stolz ist. allerdings, wenn jmd spass daran hat, stolz zu sein ... soll er/sie/es es doch sein. ist eben eine ganz persönliche sache.

  • Bewertungen nehmen also nur looser vor, interessant.


    Aber wie es so schön heisst, Veralgemeinerungen sind grundsätzlich, immer falsch...

  • ich wollte damit nur sagen, dass ich etwas für diesen Schnitt geleistet hab. Ich hätte auch schreiben können: "Ich bin stolz darauf, allein dieses wunderschöne Haus gebaut zu haben" oder sowas Ähnliches...


    @Sonne
    Wirklich schönes Thema zum diskutieren erstellt :)

    danke^^


    Aber wie es so schön heisst, Veralgemeinerungen sind grundsätzlich, immer falsch...

    "Ich mache nie Prognosen und werd's auch künftig niemals tun" :D
    Verallgemeinerungen sind fast schon Vorurteile. Und wenn ich höre, wie jemand sagt, dass Schwule nett sind, dann weiß ich auch nicht so richtig, was ich davon halten soll... eigentlich ist das doch auch wieder ein Vorurteil. Zwar ein positives, aber immernoch ein Vorurteil... :-/

  • Interessantes Thema, aber irgendwie beschäftigt mich vielmehr die Frage: Was ist Stolz überhaupt?
    Ich glaube, Stolz ist eigentlich nur dann berechtigt, wenn man etwas für sich selbst oder für andere geleistet hat. Stolz müsste also eigentlich eher unbewusst ablaufen, er ist einfach da und löst das Gefühl von Selbstzufriedenheit aus oder so.
    Aber wie sollte man denn Stolz auf etwas sein, was man selbst nicht in der Hand hat? Man kann vielleicht Stolz darauf sein, dass man selbst seine Sexualität akzeptiert und stark genug ist, sich nicht von den anderen belabern zu lassen. Aber stolz allein darauf zu sein, dass man das gleiche Geschlecht liebt (oder Deutscher ist/blaue Augen hat/schöne Füße hat/usw), finde ich irgendwie komisch. Das wirkt auf mich eher so, als suche man nach Anerkennung für das was man ist (was ja eigentlich nicht nötig ist, solange man sich selbst anerkennt). Der Stolz auf die Sexualtität drückt dann wohl eher das Bedürfnis nach Bestätigung dafür aus, dass die sexuelle Orientierung "gut" ist oder in der Art... Finde ich.. Das grenzt ja irgendwo schon an Hochmut, oder nicht?!

  • Kill me, das ist genau das, was mich an der Aussage, stolz auf die eigene Sexualität zu sein, stört. Dafür hat man ja nichts geleistet.

    Der Stolz auf die Sexualtität drückt dann wohl eher das Bedürfnis nach Bestätigung dafür aus, dass die sexuelle Orientierung "gut" ist oder in der Art... Finde ich.. Das grenzt ja irgendwo schon an Hochmut, oder nicht?!

    Stimmt... darüber habe ich noch gar nicht so richtig nachgedacht... das würde ja heißen, dass andere Sexualitäten/Nationen usw. schlechter sind (zumindest nach der Meinung derer, die sowas sagen). Was auch nich grade toll is... Wir kämpfen ja grade dafür, dass Homo- und Bisexualität als gleichwertig angesehen werden...

  • "Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen."


    Arthur Schopenhauer:
    - Parerga und Paralipomena, Aphorismen zur Lebensweisheit, Von dem was einer vorstellt.

  • Man kann vielleicht Stolz darauf sein, dass man selbst seine Sexualität akzeptiert und stark genug ist, sich nicht von den anderen belabern zu lassen.

    ja ich glaube das ist auch das was ich meine..
    es ist echt schwierig das genau zu sagen, weil man solche begriffe auch oft benutzt ohne genau darüber nachzudenken. vielleicht sollte man dann eher sagen: ich stehe dazu, homosexuell zu sein. oder: ich bin glücklich, dass ich mit meiner homosexualität klarkomme..
    so.. und zur definition, was stolz überhaupt ist.. ich kanns selber nicht genau sagen, da ich eigentlich bisher dachte man kann auf alles stolz sein. aber bei dieser diskussion merke ich jetzt, dass das komplizierter ist,als gedacht!
    bei wikipedia steht:


    "Stolz [von mnd..: stolt = prächtig, stattlich] ist das Gefühl einer großen Zufriedenheit mit sich selbst, einer Hochachtung seiner selbst – sei es der eigenen Person, sei es in ihrem Zusammenhang mit einem hoch geachteten bzw. verehrten „Ganzen“."


    okay, bis dahin noch recht neutral im hinblick auf eigene leistungen oder nicht.. dann:


    "Er entspringt der (subjektiven) Gewissheit, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges geleistet zu haben oder daran mitzuwirken. Dabei kann der Maßstab, aus dem sich diese Gewissheit ableitet, sowohl innerhalb eines eigenen differenzierten Wertehorizontstradiert sein. Im ersten Fall fühlt man sich selbst bestätigt und in seiner Weltanschauung bestärkt („ herausgebildet als auch gesellschaftlich Ich bin stolz auf mich“), im anderen Fall sonnt man sich in der gesellschaftlichen Anerkennung („Ich bin stolz, etwas für meine Stadt geleistet zu haben“)."


    es gibt also unterschiede innerhalb des ausdrucks.. wusste ich vorher noch gar nicht. cooles thema! :)

  • ich kann von mir behaupten das ich stolz auf mein schwulsein bin
    Es war für mich eine Große Veränderung und schließlich hat es aus mir gemacht was ich heute bin.
    Habe die liebe meines Lebens gefunden und den tollsten Menschen. habe dadurch viele verschiedene Menschen kennen gelernt und deren verschiedene Denkweisen.
    Meine toleranz zu allen möglichen hab ich dadurch mehr gelernt, und zu gleich das stumpfe denken von anderen.
    Ich hab dadurch meinen kleinen Rebellen in mir gestärkt und gelernt das mir doch egal sein kann was andere über mich denken.
    Bin viel mehr aus mir heraus gekommen und beschäftige mich mehr für andere Denkweisen und hinterfrage mehr.
    bin dadurch nicht mehr so prüde wie vorher und Thema sex ist das normalste für mich.
    Hab den Spaß mit jungs entdeckt und weiss was andere nicht haben werden.
    Ich habe diesen weg selbst gewählt und ich bereue es nicht daher kann ich ohne das Wort "stolz" zu hinterfragen sagen das ich da stolz bin.
    Worte auseinander zu nehmen ist eh nicht mein ding. wichtieg ist wie man es selbst auffast und mit denen umgeht

  • Aber wie es so schön heisst, Veralgemeinerungen sind grundsätzlich, immer falsch...


    wäre richtig, wenn es sich um eine verallgemeinerung gehandelt hätte. aber es war eine, in worten gefasste, spezielle, weil persönliche, erfahrung. und was das, also mich, betrifft, ist die aussage, auch verallgemeinert, richtig. dass du das evtl ganz anders siehst, ist eben ein anderer, (dein) pov und halt eben deshalb speziell.



    ich wollte damit nur sagen, dass ich etwas für diesen Schnitt geleistet hab.



    war mir schon klar, was du damit sagen wolltest. und ich wollte mit meiner Aw darauf auch nur meinen POV verdeutlichen. weil ich eigtl für meinen notendurchschnitt gefühlt kaum etwas leiste, empfind ich nie so etwas wie stolz darauf.


    gleiches könnte ich natürlich auch über das haus sagen. :-D arbeit/leistung ist generell nichts, was für mich einen hohen stellenwert inne hat. es ist einfach eine notwendigkeit, um zielvorstellungen realisieren zu können ... mal mehr, meist weniger anstrengend.


    also kurz gesagt: was für den einen etwas ist, worauf er stolz empfindet, ist für andere eine reine, kaum zu bachtende nebensächlickeit.

  • ja, das kann ich nachvollziehen. Ich lern auch fast nie und hatte jetzt im Halbjahreszeugnis (10. Klasse Gymnasium) nen Schnitt von 1,7.


    Aber du schweifst ab ;)
    Der Punkt ist, dass Homosexualität (oder auch Bisexualität, und, wie schonmal erwähnt, die Nationalität) eben etwas ist, das man von Geburt an hat. Ich habe nichts dafür geleistet.


    Aber ihr habt schon irgendwie Recht damit, dass man stolz darauf sein kann, dass man seine Sexualität akzeptiert, stark genug ist, sich zu outen und so weiter...

  • direkt auf zitate antworten ist noch nicht abschweifen denk ich. und wenn man ein prinzip da heraus liest, kann man das muster auch auf das thema des threads übertragen und es themenbezogen verstehen. man muss es eben nur queerlesen ... :whistling:0:-]

  • Ich sehe das genauso.
    Aber ich teile auch Sonne's Meinung. Man kann stolz darauf sein, zu seiner Sexualität zu stehen und sich zu outen und einfach dazu zu stehen, wer man ist. :)