Verwirrt über meine Geschlechtsidentität

  • Vor acht Jahren habe ich mich als FtM trans* geoutet. Jetzt bin ich 20 und hätte eigentlich schon seit einer Weile die Möglichkeit, eine Hormonbehandlung anzufangen. Aber ich weiß nicht mehr, ob ich das wirklich brauche, habe eigentlich kaum noch Dysphorie und generell stelle ich gerade einfach alles in Frage. Meine Geschlechtsidentität, meine Sexualität. Man dürfte ja meinen, die Pubertät sei verwirrend, aber ich kann mich nicht daran erinnern, je so verwirrt wie jetzt gewesen zu sein. Ich habe so das Gefühl, dass das Transitionieren nur die andere Seite der Medaille ist und das Mannsein vermutlich auch nur eine weitere Schublade, in die ich nie ganz reinpassen werde. Es ist einfach alles so kompliziert gerade bei mir und ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.

  • Keine Geschlechtsidentität ist bei jedem gleich, bspw. gibt es Non-Binarys, die eine riesige Dysphorie haben, andere - wie ich - haben keine bis kaum eine.

    „Die Stimme eines Kindes, egal wie ehrlich und aufrichtig, ist bedeutungslos für jene, die verlernt haben zuzuhören.“ — A. Dumbledore

  • Damals warst du 12. Okay, das war zu Beginn deiner Pubertät, alles hat sich verändert, da ist es manchmal normal, das man damit nicht klar kommt, aber dennoch nicht trans ist. Die Frage ist, ob du dich noch genauso fühlst wie damals. Du meinst, deine Dysphorie ist fast weg. Allein das würde ich als Anhaltspunkt sehen, hier mal die Bremse reinzuhauen, erst gar nicht über eine Hormontherapie nachdenken. Transidentität ist schließlich nur gegeben, wenn sie über einen langen Zeitraum, und das sollte dein gesamtes Leben bedeuten, besteht. Vielleicht war es bei dir ja wirklich nur eine Phase?

    Mann sein ist keine Schublade, in die man sich hineinpresst. Entweder man ist einer, oder nicht. Deine Ausdrucksform lässt mich irgendwie hinterfragen, ob du sehr stereotyp an die ganze Sache rangehst. Es gibt keine Checkliste, wie ein Mann sein muss, ein Mann kann alles und muss gar nichts sein, genauso wie eine Frau. Das einzige, das zählt, ist wie du dich in deinem Innersten fühlst. Bist du ein Mann? oder trägst du nur gerne weite Shirts und kannst mit dem stereotypen Frauenbild nichts anfangen?

    Weiter solltest du dich fragen, ob es wirklich noch das ist, was du willst, oder ob sich bei dir irgendwann eine Art Automatismus angeschaltet hat und du machst das jetzt halt einfach immer weiter, weil es jetzt halt so ist. Bist du denn derzeit in Therapie? Dann solltest du das Ganze unbedingt mal ansprechen und den Ursachen auf den Grund gehen. Bist du trans, weil du trans bist oder ist es etwas anderes, wie ein Trauma, Geschlechterstereotype, innere Homophobie, vestreckte Misogynie etc. Es gibt viele Gründe, wieso man denken kann, das man keine Frau/ kein Mann ist. Zudem würde ich mich fragen, ob ich nicht nur keine Frau bin, sondern ob ich mich auch wirklich mit dem Mann sein identifiziere, wie auch immer du das für dich definierst.

    Ich hoffe, das ist erstmal irgendwie hilfreich und bei Fragen kannst du mich gerne anschreiben 😉

  • Hallo Akisa,

    Also Du hast Dich mit 12 als FtM geoutet. Ganz schön mutig. Hut ab dafür! Aber zu Begin der Pubertät eine solch schwerwiegende Entscheidung zu treffen, darf man hinterfragen. Das Gefühl einer Diskrepanz zwischen meinem physischen Geschlecht und meiner Identität hatte ich auch bereits sehr früh. Zu meiner Zeit war die Geschlechtsanpassung noch kein Thema. Heute bin ich froh darum.

    Was ist die Ursache für Deine seelischen Leiden? Hasst Du Deinen Körper, weil er nicht zu deiner Identität passt oder liegt die Ursache in einer Diskrepanz zwischen Deinen Gefühlen und mutmaßlichen sozialen Anforderungen? Das Leben ist nicht so binär, wie wir oft glauben. Und die Gesellschaft hat sich mittlerweile auf den Weg gemacht dies auch tolerieren.

    Ganz gleich wie man das psychologisch deuten könnte, denke ich das Leben ist eine ständige Veränderung. Gefühle, die mich in der Vergangenheit entscheiden lassen haben, können sich verändern und treffen zukünftig möglicherweise nicht mehr zu. Eine Geschlechtsanpassung ist aber für den Rest des Lebens und kann einem Wandel der Identität nicht gerecht werden. Diesen Schritt würde ich persönlich nicht gehen ohne mir 100%ig sicher zu sein den Rest meines Lebens ein anderes physisches Geschlecht annehmen zu wollen. Das hat mit meiner Geschlechtsidentität wenig zu tun. Ich kann mich als Frau identifizieren und trotzdem in meinem männlichen Körper wohnen.

    Meiner Meinung nach gehört der Wandel der Identität zu Leben dazu und trägt zu Selbstfindung bei. Ich könnte es auch Reifungsprozess nennen.

    Ich habe Erfahrungen von MtF gehört, die die Operation bitter bereut haben. Eine Operation und Hormonbehandlung tragen auch nicht zur körperlichen Gesundheit bei. Also im Zweifelsfall würde ich mich dagegen entscheiden!

    Eine Verwirrung über die geschlechtliche Identität ist quälend und schmerzhaft, aber mich hat sie an einen Punkt geführt, an dem ich mich heute gut positionieren kann.

    Jetzt habe ich viele Argumente gegen eine Operation aufgeführt, aber ich will es Dir nicht ausreden. Wenn Du Deinen Körper als Frau tatsächlich ablehnst und das der Grund Deines Leidens ist, solltest Du es in Erwägung ziehen.

    Achja, das Leben ist kompliziert. Mir hilft es diese Komplexität einfach zu akzeptieren. Und das Leben wird nicht einfacher in einem neuen Körper, wenn der Körper nicht die Ursache war.


    Bin gerne bereit weiter mit Dir zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen, schreib mich einfach an.


    Ganz liebe Grüße Lakisha